1992. Ich hatte mehr Haare.
1974919260
Scheinprominenz
Immer wieder fragen mich Leute, ob sie mich nicht aus dem Fernsehen kennen. Und das ist völlig unmöglich, denn kulturelle Errungenschaften wie “DSDS” oder “Frauentausch” interessieren mich nicht. Meine Frau und ich und ich haben einen Begriff dafür gefunden, wenn wieder mal jemand mit dem Finger auf mich zeigt und verschwörerisch sagt: “Sie kenn ich aber aus dem Fernsehen, oder?” – “Du bist scheinprominent”, sagte meine Frau zu mir, nachdem man mich fast dazu genötigt hatte, im Reataurant eine Tischdecke zu signieren und seitdem gehört der Begriff der Scheinprominenz zu unserem Wortschatz. Überlege manchmal, mir eine Sendung zu erfinden und Autogrammkarten drucken zu lassen. “Kenn’ ich Sie nicht aus dem Fernsehen?” – “Natürlich. Schabulke, die Show. Montags bis freitags um Zweiundzwanzigdreißig. Sehr nett. Autogrammkarte? Gerne. Für wen soll es sein? Und noch ein Foto. Natürlich, bitte sehr. Mich auch.”
UAV
Joakim Pirinen
Vor etwas über 20 Jahren veröffentlichte ich in der schwedischen U-Comic Zeitung GALAGO. Es war Winter, ich hatte Grippe – und ich hatte kein Geld. Ich stapfte also eine Stunde durch den Schnee zum Verlag und wollte mein Honorar abholen. Dort gab man mir einen Stapel mit 40 Heften und sagte mir, die könne ich verkaufen und das Geld behalten. Der Held von GALAGO war ein Zeichner namens Pirinen, der zeichnete so lustige Sachen wie den ARLA-Hasen.
Philemon und Baucis
„Aimez-vous les uns les autres ou bien disparaissez!” (Juliette Gréco)
Da es endlich passt kratzt es mich auch nicht mehr, wenn ich dran denke, dass es endlich ist.
nichts
ist nicht dunkel ist nicht hell ist nicht nichts und nicht mal das
Besser hätte ich es nicht sagen können.
„Falls Sie sich fragen, warum hier in letzter Zeit nur wenig und blödes Zeug geschrieben steht: ich arbeite. Viel. Sehr viel. Zu viel. Da gibt es definitiv auch Optimierungsansätze.” (Wortschnittchen)
Dinge, die Teenagern heute nicht erklärbar sind
Dass wir uns mit fünfzehn nach der Schule trafen, um das neue Album von Pat Metheny zu hören.
Lass jucken, Kumpel!
Skrzynecki
Choć się zmienił cały świat – jesteśmy! Zawiruje jeszcze raz – będziemy, będziemy!
(Zbigniew Preisner, „Piotr”.)
Zum Sterben schön
WDR Radio, Studio 3, 1978.
„In jeder Leiche ist ein Kind versteckt
Das nach Zukunft fragt und nach Frühling schmeckt
Und sich dann erschreckt
Und dann findet man noch einen Augenblick
Eine Spur vom Glück und ein Silberstück
Doch das liegt weit zurück“
(Hanns Dieter Hüsch)Unterhaltung am Wochenende hieß die Sendung (sie heißt immer noch so). Die Elite des Kabaretts gab sich die Klinke in die Hand, im Studio wurde geraucht und gesoffen, zu Billigsekt und der Musik des Krakauer Barock-Ensembles. Oder irgendeiner der damals angesagten Dixieland-Kapellen. Hanns Dieter Hüsch gab den Moderator, grinste, rauchte Gauloises ohne Filter und präsentierte die Chansons seiner Freundin Ewa Demarczyk.
Das angesagte Comedyfeature hieß „Familie Poszepczynski”, wo am Ende immer der Opa umgebracht wurde. Auf dem Studiotisch lagen die neusten Texte und Ideen sowie die Gitarre von Jürgen von der Lippe. Elke Heidenreich war lustig. Lange her. Hanns Dieter Hüsch wäre heute 84 geworden.
Prösterken.
Menu
Bananas To The Beat
Wer hierzu die Spülmaschine einräumt und sich bei weit offener Balkontür darüber freut, dass es nach Frühling riecht, ist garantiert in den tiefsten Achtzigern verwurzelt. Tequila!
[Yello, 1980-1985 – The New Mix On The Go.]Tschilp!
Ein Vogel! Die Balkontür steht weit offen. Ich setz den Kopfhörer ab. Nee, wirklich. Was ich da höre ist nicht das Produkt der Forschung des Fraunheimer-Instituts. Das ist ein echter Vogel. Der erste Vogel des Frühlings, draußen im Baum. Tschilp. Voller Zuversicht, denke ich mir (Menschen müssen sich ja immer was denken). Tschilp, tschilp! Bin allein, es fehlt Dein vertrautes Grinsen und die Erklärung, welcher Vogel das jetzt ist. Ich kann ja bestenfalls am Tastaturanschlag erkennen, ob der jeweilige Nutzer jetzt in Photoshop oder in Word unterwegs ist. Trotzdem, ich möchte den Vogel jetzt gern begrüßen. Ich tu’s einfach in meiner Sprache: „Hey Vogel. Schön dass du da bist. Vergiss nicht die Uhr umzustellen.”
Furz in den Wind
The Commerzbank Shooting
COMMERZBANK Ostberlin, Frankfurter Allee. Kaputte Fassade, zerschossene Panzerglasscheiben. Ich dachte eigentlich, so etwas können sich nur völlig bekiffte Bühnenbildner ausdenken, die aufgefordert sind total over the top zu arbeiten. Ich meine: Hauswände, an denen der Putz abfällt und wo das Mauerwerk drunter zu sehen ist – das ist doch Comic-Bildsprache. Ebenso wenig wie seit Monaten nur provisorisch reparierte zwei dutzend Einschusslöcher in panzerverglasten Schaufenstern. Dachte ich. Denke ich nicht mehr, seit ich vor ein paar Jahren erstmals die Berliner Filiale meiner Hausbank sah.
Das Grunge-Ambiente scheint aber in Berlin niemand zu stören. Da fühlen sich die Leute erst so richtig zu Hause: vor der Sparkasse fünfhundert Meter weiter haben sie vor nicht allzu langer Zeit jemanden erschossen.