Aus “Die schöne Geschichte von der hässlichen Kröte und andere Gemeinheiten”, LAPPAN, Oldenburg, 1999. Original: “Les chroniques de la haine ordinaire”, Éditions du Seuil, Paris, 1987. Deutsch von Sven Knoch, Lektorat: Peter Baumann.

16.  Juni 1986

Setzen wir einmal voraus, die Norm definiere denjenigen als menschlich, so er nur zwei Arme und zwei Beine sein eigen nennt, dann lassen es die in diesem Sinne normalen Menschen immer wieder senderübergreifend über sich ergehen, wie schwitzende Horden in kurzen Hosen auf Rasenflächen so entwürdigende wie klobige Verrenkungen ausführen, im Streit um die lächerliche Ehre, Meister des Ballspiels mit dem Fuße zu werden.

Hier ist der Unterschied zwischen dem Affen und dem Menschen: der Erstgenannte hat entweder zu viele Arme, oder zu wenig Beine, um sich zum Fußballspielen herabzulassen.

Fußball. Welche Sportart ist schwachsinniger, plumper und weniger graziös als der Fußball? Welche Art von Harmonie und Eleganz soll ein primär ästhetisch empfindender Mensch im unbeholfenen Herumgerenne von zweiundzwanzig behaarten Vollidioten finden, die einen aufgeblasenen Ledersack wie einen Haufen Scheiße durch die Gegend treten, und die dabei das ordinäre Röcheln verendender Ochsen hervorbringen?

Welcher notgeile Straßenköter, welcher noch so räudige, verlauste Streuner würde es wagen öffentlich seiner Libido Ausdruck zu verleihen so wie Fußballer es tun, wenn sie im Achterpack unter wildem Schulterklopfen mit ihren fettfeuchten Pranken übereinander herfallen, begleitet von affigen Kehllauten, die jeden Dorfrocker vor Neid erblassen lassen? Welcher noch so abgebrühte Schläger, welches noch so hirnlose Monster aus einer dieser Weltuntergangssekten würde mit so viel Freude über Leichen gehen, wie wir es vor Jahren im belgischen Heyselstadion live miterleben durften, als alle mal wieder vor Freude ausgeflippten und es dabei schließlich auf 40 Tote brachten – nur weil das Ballaballa nicht dahin gekickt wurde, wo es ihnen lieb gewesen wäre?

Fußballer – ich hasse Euch. Nur einmal habt ihr mich vom Hocker gehauen, damals bei der Weltmeisterschaft in Mexiko. Als ihr von den aztekischen Fritten den mexikanischen Dünnschiss bekommen hattet. Ach, wie hätte ich mich abgerollt, wenn die Amöben die Kicker noch bis zum Ende des Turniers ins gesundheitliche Abseits manövriert hätten, aber das hat der liebe Gott ja nicht gewollt. Was mich nicht besonders erstaunt. Denn auch Gott ist einer von euch. Er ist wie ihr, Fußballer. überall, zu jeder Zeit, und was man auch tut, wo man sich auch verkriecht, man entkommt ihm nicht.

Schon als ich klein war, dachte ich lange, ich sei irgendwie anomal, weil ich Fußball schon damals nicht abkonnte. Ich lehnte es hartnäckig ab, Fußball zu spielen, ob in der Schule oder auf der Straße. Also riefen sie mir nach: «He, da kommt unser Mädchen!» oder «Na, wieder krank?» So sehr ist war die Idee der Abnormität fest verbunden mit der des Nichtfußballers.

Aber ich zeig’s Euch. Ich war zum Beispiel nie krank. Und was die weiblichen Züge angeht, mit denen ihr mich aufgezogen habt, sie sind nach wie vor ein Teil von mir, und sie bringen mich dazu, dass ich, wenn ich läufig bin, die Gesellschaft von Frauen suche. Und zwar Eure inbegriffen. Ihr müsst nicht glauben, dass ich davor zurückschrecke, mir in aller Ruhe mit ihnen die Zeit zu vertreiben, während ihr in den Stadien herumzuckt.

Ätsch, bätsch.

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